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Sensor zur nichtinvasiven in-vivo Glukosemessung bei Diabetes-Patienten

Diabetes ist eine Volkskrankheit, die immer dramatischere Ausmaße annimmt. Nach Stand von 2014 waren ca. 9% der Weltbevölkerung, zunehmend auch Kinder und Jugendliche, betroffen [1 – 3]. Patienten müssen mehrfach täglich ihren Blutzuckerwert bestimmen, um hinsichtlich Nahrungsaufnahme und Insulin-Dosierung eine Entscheidungsgrundlage zu haben. Das gängige Verfahren zur Messung des aktuellen Blutzuckergehalts erfordert die Entnahme einer kleinen Blutmenge, die auf einen elektrochemischen Teststreifen aufgebracht und elektronisch oder optisch analysiert wird. Dieses Verfahren hat schwerwiegende Nachteile: Zum einen bedeutet die Notwendigkeit eines Einstichs zur Blutentnahme eine Einschränkung der Lebensqualität der Betroffenen und ein Infektionsrisiko. Zum zweiten stellen die Kosten für die Teststreifen eine erhebliche finanzielle Belastung für das Gesundheitssystem dar. Ärzte würden ihren Patienten sogar ein häufigeres Messen des Blutzuckerspiegels empfehlen. Aufgrund der genannten Nachteile ist eine generelle Erhöhung der Messfrequenz aber nicht praktikabel.

Mittlerweile gibt es einige Verfahren zur kontinuierlichen Blutzuckerbestimmung, die ohne Blutabnahme auskommen [4 – 6]. Allerdings erfordern die Geräte das Einbringen eines Sensors ins Gewebe mit den damit verbundenen Nachteilen (Einschränkung der Lebensqualität) und Risiken (u.a. Infektion). Außerdem müssen die Sensoren nach einigen Tagen ersetzt werden. Die dadurch entstehenden laufenden Kosten sind erheblich.

In der Literatur werden seit längerem Ansätze für optische nichtinvasive Verfahren zur Blutzuckermessung beschrieben. Hierbei werden Zuckermoleküle mit Laser-Strahlung angeregt. Infrarotstrahlung im mittleren infraroten Wellenlängenbereich wird von Glukosemolekülen stark absorbiert. Diese Strahlung dringt wegen der starken Absorption durch Wassermoleküle aber nur ca. 50 bis 100 Mikrometer in die Epidermis ein. In dieser Tiefe finden sich allerdings keine Blutgefäße. Der Blutzucker gelangt aber durch passive Diffusion in die interstitielle Flüssigkeit der oberen Hautschichten und ist hier im Prinzip nachweisbar. Die absorbierte Strahlungsenergie führt zu einer geringfügigen Erwärmung der bestrahlten Region. Bei Sensoren, die auf dem photoakustischen Effekt beruhen, wird die Laser-Strahlung moduliert, wodurch die Erwärmung zeitlich periodisch erfolgt und in der Folge eine Schallwelle erzeugt wird. Die Schallwelle kann mit einem Mikrofon nachgewiesen werden.

Die grundsätzliche Eignung eines photoakustischen Sensors zur nichtinvasiven in-vivo Messung des Glukosespiegels wurde inzwischen nachgewiesen [7]. Bei Messzeiten von ca. 5 s konnte eine Glukosekonzentration von ca. 50 mg/dl nachgewiesen werden. Der physiologische Bereich beim Menschen liegt etwa zwischen 30 und 500 mg/dl. Für eine industrielle Umsetzung des Konzepts ist also eine deutliche Erhöhung der Nachweisempfindlichkeit erforderlich [8].

Das Problem, der nicht-ausreichenden Nachweisgrenze soll durch ein modifiziertes Messzellen-Design mit verbesserter Resonanzüberhöhung gelöst werden. Bei der Durchführung von entsprechenden Parameterstudien sind numerische Untersuchungen experimentellen Verfahren hinsichtlich Effizienz und Kosten weit überlegen, denn die Berechnung der Signalstärke erfolgt vergleichsweise schnell und mit sehr wenig Arbeitsaufwand. Wegen der großen Flexibilität (insbesondere im Hinblick auf die Form des Berechnungsgebiets) soll die Modellierung auf Basis der Finite-Elemente-Methode vorgenommen werden. Nach Durchführung einer geometrischen Optimierung wird die modifizierte Messzelle experimentell für die Messung der Glukosekonzentration in der interstitiellen Flüssigkeit getestet. Die nachfolgend geplanten klinischen Studien werden in Kooperation mit dem Institut für Biophysik der Goethe-Universität Frankfurt am Main durchgeführt.

Das Projekt wird von MSc Said Ali El-Busaidy im Rahmen eines kooperativen Promotionsverfahrens mit der Süddänischen Universität in Sonderburg bearbeitet. Die Finanzierung erfolgt über das Promotionsförderprogramm der HAW Hamburg. Ein Vorgängerprojekt wurde durch die Landesforschungsförderung Hamburg (Aufbau internationaler Forschungskooperationen) finanziert.

Projektbeteiligte

Literatur

[1] http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/148114/1/9789241564854_eng.pdf?ua=1

[2] http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs312/en/

[3] http://www.who.int/diabetes/facts/en/

[4] http://www.freestylelibre.de/

[5] http://www.dexcom.com/de-DE

[6] https://www.medtronic-diabetes.de/minimed-produkte/insulinpumpe-mit-smartguard

[7] M. A. Pleitez, T. Lieblein, A. Bauer, O. Hertzberg, H. von Lilienfeld-Toal, and W. Mäntele, „Windowless ultrasound photoacoustic cell for in vivo mid-IR spectroscopy of human epidermis: Low interference by changes of air pressure, temperature, and humidity caused by skin contact opens the possibility for a non-invasive monitoring of glucose in the interstitial fluid“, Rev. Sci. Instr., 84, 084901 (2013).

[8] B. Baumann, M. Wolff, M. Teschner, Open Photoacoustic Cell for Blood Sugar Measurement: Numerical Calculation of Frequency Response, arXiv:1507.05189 (2015)

Sonderausgabe Bioengineering